Humanistische Freimaurerei als Projekt für das 21. Jahrhundert

Blog Ver Sacrum

2. Januar 2019

Humanistische Freimaurerei als Projekt für das 21. Jahrhundert

Öffentlicher Vortrag, Montag, 4. Februar 2019, 19:30 Uhr, Logenhaus Köln
Referent Prof. Dr. Hans-Hermann Höhmann, Redner der Großloge AFuAM von Deutschland

In der Humanistischen Freimaurerei sind die Logen Wertegemeinschaften und keine Glaubensgemeinschaften. Sie sind auch keine esoterischen Zirkel. Freimaurer teilen Werte, die sich auf den Menschen beziehen. Welcher Auffassung sie in politischer und weltanschaulicher Hinsicht auch sind, sie müssen übereinstimmen in den humanistischen Überzeugungen, aus denen heraus sie als Menschen und Freimaurer handeln.

Humanistische Freimaurerei findet in einem vierfachen Selbstverständnis ihren Ausdruck, wobei sich die genannten Aspekte gleichrangig miteinander verbinden:

 

Erstens: Freundschaft und Geselligkeit

Auf der Basis einer in der Loge eingeübten Kultur der Mitmenschlichkeit ist Frei-maurerei Pflege von Freundschaft und Geselligkeit. Die Logen der Freimaurer sind Gemeinschaften, die „gute und redliche Männer, Männer von Ehre und Anstand, ohne Rücksicht auf ihr Bekenntnis oder darauf, welche Überzeugungen sie sonst vertreten mögen“ (Alte Pflichten von 1723) über alle weltanschaulich-religiösen, politischen, nationalen und sozialen Grenzen hinweg verbinden wollen. Die Logen und die Menschen in ihnen wollen sich miteinander und mit anderen Menschen und Menschengruppen vernetzen, denn nur durch eine solche Vernetzung von Mensch zu Mensch können in modernen komplexen Gesellschaften mit ihrer zunehmenden Tendenz zu diffuser Anonymität und Aggressivität übersichtliche und humane Lebenswelten geschaffen und erhalten werden.

Die Geselligkeit der Logen ist ebenso traditionsreich wie komplex: freundschaftliches Miteinander, Empathie und Takt, soziales Handeln, gemeinsames Erleben und Praktizieren von Kultur, Diskurse: durch all das sollten schon die Bürger und Brüder der Aufklärungszeit Tugend und Bildung einüben und – als Vorbild für die gesamte Menschheit – zu besseren Menschen werden.

 

Zweitens: Ethik und Moral

In der Tradition von Humanismus und Aufklärung sind die Logen der Freimaurer ethisch orientierte Assoziationen, in denen gemeinsam laut nachgedacht werden kann, um Wege zu Lebenssinn und Motivation zu moralischem Handeln ausfindig zu machen. Freimaurer stimmen darin überein, dass sie Werten verpflichtet sind, die sie – im Sinne eines Orientierungsrahmens – mit alten humanistisch-aufklärerischen Begrifflichkeiten wie Humanität, Brüderlichkeit, Toleranz, Freiheit, Gerechtigkeit und Friedensliebe umschreiben. Freimaurer bemühen sich darum, für diese Werte zeitgemäße Ausdrucksformen zu erarbeiten und auf dieser Grundlage an gesellschaftlichen Diskursen und moralischer Praxis auch außerhalb der Loge teilzunehmen.

 

Drittens: Der rituelle Erfahrungsraum

Die Logen der Freimaurer bieten einen auf Symbole und Rituale gegründeten spiri-tuellen Wahrnehmungs-, Handlungs- und Erfahrungsraum, in dem die Ziele und Ideen des Freimaurerbundes im Bewusstsein und im Habitus der Brüder verankert werden. Das Ritual ist keineswegs die ganze Freimaurerei, doch es ist das, was Freimaurerei von anderen Bünden mit humanitärer Einstellung unterscheidbar macht.

Das Ritual lehrt durch Symbole und rituelle Handlungen und rundet so die soziale und diskursethische Praxis der Loge durch eine die Gesamtperson des Bruders erfassende und verändernde spirituelle Dimension ab. Initiationen, performatives Sprechen und Handeln sowie mimetisches Lernen sind hierbei die wesentlichen Elemente. Das Ritual lässt die Werte des Bundes, die Beziehungen der Brüder, die Chancen für die eigene innere Entwicklung sinnlich und emotional erfahren. Das Ritual öffnet das Bewusstsein des Maurers für ein Wahrnehmen bisher verborgen gebliebener Schichten der Persönlichkeit. Dadurch vermittelt es nicht nur Denkanstöße, sondern es wird auch zum Medium der Selbsterfahrung und der Selbstentwicklung. Allerdings: Das Ritual besitzt keinen Offenbarungscharakter, es vermittelt keine Heilslehren, und es hat keine magische Qualität. Schließlich und ganz deutlich: Das Ritual begründet keine Religion, und es sollte auch keine ersatzreligiösen Funktionen übernehmen.

 

Viertens: Freimaurerische Lebenskunst

Durch die Zusammenfassung der drei vorgenannten Elemente in einem auf einander abgestimmten Gesamtkonzept wird Freimaurerei zu einer Lebenskunst der Praxis, die freundschaftliches Miteinander und ethisch-moralische Daseinsorientierung durch Symbole und Rituale in der Gemeinschaft der Loge sowohl rational erfassbar als auch emotional erlebbar macht.

Freimaurerische Lebenskunst zielt darauf hin, Beziehungen herzustellen und Umgangsstile zu entwickeln:

  • Stile des Umgangs mit sich selbst wie Selbstrespekt, verbunden mit Selbsterkenntnis und Selbstkritik;
  •  Stile des Umgangs mit anderen Menschen wie Mitmenschlichkeit, tolerantes Verstehen ohne Unterwerfung und Symbiose;
  •  Stile des Umgangs mit den Dingen der Welt wie Verantwortung übernehmen für Gesellschaft und Umwelt;
  •  schließlich Stile des Umgangs mit Transzendenz, was im Grunde genommen meint, im Hinblick auf letzte Fragen Frieden zu finden.

Insgesamt ist Freimaurerei somit keineswegs primär Kultgemeinschaft oder gar religiöse Vereinigung, wie dies gelegentlich postuliert wird. Die Logen sind vielmehr in erster Linie ethisch orientierte Freundschaftsbünde, in denen sich humanistische Gesinnung und humanitäre Praxis im Sinne einer auch im Alltag tauglichen Lebenskunst entfalten können. Mensch und Welt besser zu machen bleibt dabei unverändert das Ideal der Freimaurerei.

 

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